Kino vor Corona

Veröffentlicht: 26. Juni 2020 in Filme, Kino, Kultur

Das Kino fehlt mir sehr. Zum Glück ist die Abstinenz bald vorbei, und da wird es erst recht Zeit, nochmal zurückzuschauen auf die Kinoerlebnisse vor der Schließung im März. Das habe ich gesehen:

„Lindenberg! Mach Dein Ding!“ – Film von Hermine Huntgeburth

Udo Lindenberg gehört zu Hamburg und zu meinem Leben, irgendwie, auch wenn ich nie in ein Konzert von ihm gegangen bin. Irgendwie bin ich trotzdem Fan von ihm. „Reeperbahn“ spricht mir aus der Seele, „Cello“ geht ins Herz, und im Grunde genommen ist doch am Ende alles mal wieder klar, „auf der Andrea Doria!“ Udo Lindenberg ist einfach nicht wegzudenken aus der deutschen Kulturszene! Aber wie fing denn das alles an? Darum geht es in diesem Film, der den jungen Udo auf dem Weg seines künstlerischen Coming Outs begleitet. Udo will nämlich überhaupt nicht einsehen, dass man nicht auch Rocker sein kann mit deutschen Texten – und damit hat er einen ganz besonderen Nerv getroffen. Das kann man zwar rückblickend festhalten, aber die große Kunst ist doch, etwas zu erfinden und sich trotz aller äußeren Widerstände nicht davon abbringen zu lassen, daran – an sich selbst – zu glauben. Dieses Thema interessiert mich sehr, das war der Grund, warum ich den Film unbedingt sehen wollte.

Szene aus „Lindenberg! Mach dein Ding!“ mit Jan Bülow, Max von der Groeben. Bildquelle: Filmstarts

Gut unterhalten hat er mich auch – Jan Bülow hat sich super in den stürmenden und drängenden Udo L. hineinversetzt und mich restlos überzeugt. Ich mochte den Film sehr, einmal mehr großes Lob an Hermine Huntgeburth, deren „Effi Briest“ und auch „Die weiße Massai“ mir ebenfalls gefallen haben. Aber das ist ja schon lange her.

„Das geheime Leben der Bäume“ – Dokumentarfilm von Jörg Adolph / Jan Haft

Das Buch von Peter Wohlleben habe ich gern gelesen, und ich bedaure so, dass ich vieles daraus schon wieder vergessen habe. Das war denn auch der Beweggrund, den Film im Kino zu sehen. Was ich nicht wusste, war, dass dies nicht nur ein Film über das Buch ist, sondern dazu auch Peter Wohlleben über die Schulter schaut auf seiner Mission, den Menschen den Wald und die Bäume näher zu bringen. Dagegen habe ich auch gar nichts, denn er ist ein derart sympathischer Zeitgenosse, dass es mir Freude gemacht hat, ihn bei der Arbeit zu sehen.

Nur war das alles ein bisschen viel zu viel: Das gleichnamige Buch ist ja schon sehr gehaltvoll. Das Thema, die Wälder zu retten, noch viel mehr, und dazu das faszinierende Berufsbild (oder Berufungsbild?) des Peter Wohlleben ebenfalls mehr als abendfüllend. Und so war der Film am Ende ein nicht ganz entschiedener, was er denn eigentlich erzählen wollte. Das wiederum fand ich schade.

„Little Women“ – Film von Greta Gerwig

Der Film erzählt aus dem Lebensweg einer Autorin, die genau dies zum Thema macht. Ihre Kindheits- und Jugenderlebnisse hatte sie zu einem Roman verarbeitet, der zu einem Bestseller avancierte.

Vier Schwestern und der Nachbarsjunge werden in ihrer Entwicklung gezeigt, mit ihren Wünschen, den Plänen und was daraus im Einzelnen wird. Während  Jo March (mal wieder toll: Saoirse Ronan), nicht vorhat, den konventionellen Weg einer Vermählung einzuschlagen, sondern lieber unabhängig bleiben und Romane schreiben will, wählt ihre ältere Schwester  Meg (Emma Watson) ganz bewusst diesen und geht eine Liebesheirat ein, was gleichbedeutend ist mit materiellem Verzicht – diese und weitere persönliche Einschränkungen durch Mutterschaft und als Ehefrau im 19. Jahrhundert nimmt sie jedoch gern in Kauf. Impulsiver ist Amy, die sich zurückgesetzt fühlt, sich letztendlich aber mit ihrer Art durchsetzt und die Herzen erobern kann, auch wenn sie sich selbst manchmal ins Unrecht setzt. Die jüngste Schwester jedoch erschüttert ihre Schwestern in deren Grundfesten.

Das war toll in Szene gesetzt, auch die Besetzung durch großartige Schauspielerinnen kam dem zugute.

Eine raffinierte Wendung im Film hat denselben dann zu etwas ganz Besonderem gemacht. Und trotzdem: Er mag perfekt sein, mit tollen Schauspielerinnen und einem ausgeklügelten Drehbuch, es stellte sich mir dennoch die Frage, was ich damit anfangen soll. Vielleicht nur eine Laune? Wie kann das sein, dass ich den Film einerseits nur loben kann, andererseits  nicht weiß, was er mir geben soll? Weiß ich auch nicht. Aber es kann sein…

„Intrige“ – Film von Roman Polanski

1894 wird der Hauptmann Alfred Dreyfus des Landesverrats beschuldigt und in lebenslange Haft auf eine Sträflingsinsel verbannt. Weil Dreyfus Jude ist, interessiert es zunächst auch niemanden, als der neue Oberstleutnant Marie-Georges Picquart entdeckt, dass sein Vorgänger bei seinen Beschuldigungen irrte und Dreyfus nun zum Einen sein Dasein im Exil fristen muss, zum Anderen die Spionage kein Ende genommen hat. Es ist ganz ausgeschlossen, dass der Irrtum, der vor Gericht passierte, zugegeben wird – und das wiederum bringt Picquart auf die Palme. Und so kämpft er dafür, dass Dreyfus rehabilitiert wird, obwohl er selbst, als Antisemit, weder Sym- noch Empathie für den zu Unrecht Verurteilten aufbringt.

Szene aus „Intrige“ mit Jean Dujardin und Louis Garrel. Bildquelle: Filmstarts

Roman Polanski deckt einmal mehr auf, wie Macht funktioniert. Auf Recht und Ordnung jedenfalls basiert sie nicht unbedingt, wie wir ja alle wissen. Die Mechanismen sind kaum zu brechen, und es bringt Picquart beinahe an den Abgrund seiner Karriere, aber auch seiner Persönlichkeit. Mit wieviel Kraft er sich einbringt, um gegen die verkrusteten Machtstrukturen vorzugehen, hat beinahe etwas Beängstigendes, erst Recht, wenn man ahnt, dass dieses Drama weit über die historische Begebenheit hinausreicht und vielleicht einmal mehr die Frage nach der Wahrheit an und für sich stellt – wenn diese nicht in den Kram passt und die Menge sich doch eine andere wünscht, sie übersieht, weil sie sie übersehen will. Ein berührender, ein starker Film, unbedingt sehenswert!

 

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