In meiner Kindheit liebte ich die Bücher von Enid Blyton, und ganz besonders die ‚Abenteuer’-Reihe hatte es mir angetan. ‚Die 5-Freunde’-Reihe habe ich auch verschlungen, mochte sie aber nicht ganz so gern.
‚Hanni und Nanni’ mochte ich auch gern, ebenso ‚Dolli’. Aber das ist vielleicht nochmal ein ganz anderer Schuh, diese Internatsgeschichten.
Zurück zur ‚Burg der Abenteuer’. Grund meiner Lektüre war zum einen, dass die Bücher überarbeitet und neu übersetzt wurden, und zum anderen, dass ich mit der Übersetzerin bekannt bin. Und da ich neugierig bin (und außerdem eine Erkältung auskurieren musste), habe ich mich gerne über diese Lektüre hergemacht.
Nach wie vor ist es ein spannender Kinderroman, stringent erzählt und packend. Wirklich schön, um bei einem Kind Leselust zu wecken, und das macht dieses Buch nach wie vor wertvoll. Gleichzeitig ist die Geschichte spannend und phantasievoll, ich kann mir gut vorstellen, dass die Erlebniswelt in diesem Buch den Kosmos der kindlichen Phantasie beflügelt. Die neue Übersetzung lässt sich dazu auch richtig schön ‚weglesen’, so dass ich dies Buch beinahe in einem Rutsch durchlas. Und ich denke, das wird den Kindern genauso gehen. Das finde ich richtig klasse!
Andere Sachen, die Enid Blyton da verzapft hat, haben mir denn nicht so gut gefallen. Da ist zum Beispiel das Mädchen Tassie, das nicht lesen und nicht schreiben kann, ein wahres Naturkind ist und der abgerissenen Kleidung und ihrem ungepflegten Äußeren nach aus ärmlichen, wenn nicht gar sozial haltlosen Verhältnissen stammt. Ein Mädchen, das nicht lesen und schreiben kann…. nun mag Tassie ein Mädchen sein, dass die kindliche Phantasie anregt, und es ist ja auch schön, dass sie in den zwei Geschwisterpaaren und dem Papagei richtig gute Freunde findet, aber ein unbehagliches Gefühl bleibt doch zurück. Ihr sozialer Status wird nie hinterfragt. Das Buch wurde 1946 geschrieben. Mich wundert das. Für heute ist diese Figur jedenfalls nicht zeitgemäß, es sei denn, es wird soziales Elend oder Analphabetentum als solches auch thematisiert – finde ich.
Dann Bill Smuggs, der Geheimpolizist, oder wie ich ihn sonst nennen soll, und Freund dieser Kinderclique: Er lässt zu, dass im spannenden Teil der Geschichte die beiden Jungen bleiben dürfen, die Mädchen – gähn – müssen natürlich nach Hause gehen. Nur wird während der Konfrontation der Spione mit den Polizisten auch scharf geschossen. Ich finde das schon zuviel des ‚Guten’. Aber, man muss wissen, dass ich Krimis schon so indiskutabel finde wegen der Morde. Ich sehe da immer tote Menschen vor mir und kann es kaum aushalten, dass das heutzutage für ein Gros der Konsumenten zum (Fernseh- und Lese-)Alltag gehören soll. Nicht dass ich mich nicht mit Tod oder Sterben auseinandersetzen wollte, aber nicht in dieser Weise. Mich stößt das ab. Also, es kann sich durchaus um eine Überempfindlichkeit meinerseits handeln.
Wie dem auch sei: Obwohl ich mit diesen beiden Stellen (und mindestens einer weiteren, aber das ist nicht so wichtig) nicht einverstanden bin, würde ich das Buch meinem Kind zum Lesen geben, denn es ist einfach spannend erzählt und macht Lust auf mehr. Ich glaube, das ist gar nicht zu unterschätzen, wie wichtig es in einem bestimmten Alter ist, zu lesen, die Haltung eines Lesenden einzunehmen. Je öfter das passiert, glaube ich, desto mehr wird das Kind auch als Erwachsener zum Buch greifen. Da ist es denn fast egal, welches Buch da den Anfang gemacht hat. Also warum nicht dieses?
Vor ein paar Jahren habe ich ‚Fünf Freunde und das Burgverlies’ gelesen, und das hat mich ziemlich entsetzt. Auch hier mag die Geschichte spannend gewesen sein; doch in diesem Buch kommt so viel an gesellschaftlicher Reglementierung vor, die auch pädagogisch eingesetzt wird. George, die eigentlich Georgina heißt und lieber ein Junge sein möchte, verhält sich letzten Endes gesellschaftlich genauso angepasst wie Ann, die sowieso eigentlich nur ein blödes Mädchen ist (wie ich finde): Ist schon bitter: Die Mädchen helfen in der Küche, während die Jungen eher fürs Grobe zuständig sind. Klischeehafter geht es wohl nicht! Das Fehlverhalten eines anderen Jungen wird von den ‚Freunden’ nicht nur missbilligt, der Junge wird dafür mit Nicht- oder gar Verachtung gestraft, man kann schon fast sagen, gemobbt. Man könnte durchaus von einem Fehlverhalten der ach so angepassten fünf Freunde sprechen.
Es könnte sein, dass die Abenteuer-Serie sich vor allem auf das Abenteuer konzentriert, während bei den Fünf Freunden vielleicht noch viel mehr an gesellschaftlichen und politischen Aspekten hervorgehoben wird.
Es ist ja kein Geheimnis, dass Enid Blyton in ihren Büchern ihre konservative und rassistische Einstellung mit einfließen ließ (mehr über ihre Biographie und ihr Werk). Das wird zwar hier in Deutschland durch Überarbeitungen etwas abgemildert, aber ganz herausfiltern lässt es sich vielfach nicht. Als Kind war mir nicht klar, dass mich Blytons Gesinnung störte. Doch bei der Lektüre als Erwachsene kann ich darüber nicht mehr hinweglesen, und als Kind mag dies immerhin ein Unbehagen in mir ausgelöst haben. Vielleicht also deshalb meine Vorliebe für die ‚Abenteuer’-Serie? Ich gehe dem nicht nach, sonst müsste ichja alle Bücher nochmal lesen, nee, nee.
Das wär’s nicht. So hat es Spaß gemacht, aber jetzt bin ich lesetechnisch schon wieder ganz woanders.