„Undine“ von Christian Petzold

Veröffentlicht: 1. Februar 2021 in Filme, Kino, Kultur

Also, da habe ich ja noch zwei Kinoerlebnisse vorm Lockdown erlebt und jetzt erst in meiner To-Do-Liste wiedergefunden… Hier kommt mein vorletztes Kino-Highlight aus 2020.

Eigentlich bin ich, nachdem ich vor Jahren „Yella“ gesehen hatte, etwas skeptisch bei den Filmen von Christian Petzold, denn den Film mochte ich damals überhaupt nicht (hier geht’s zu meinem Blogbeitrag). Aber was für diesen einen Film damals zutraf, muss ja nun nicht für alle Filme von diesem Regisseur gleichermaßen gelten, also bin ich ganz unvoreingenommen ins Kino – und begeistert wieder rausgekommen…

Paula Beer und Franz Rogowski als Undine und Christoph in „Undine“; Bildquelle: Filmstarts.de

Undine, die bekannte sagenhafte Gestalt, ist ein Wasserwesen, dazu verdammt, den Mann, der sie liebestechnisch verrät, umbringen zu müssen. Aber… trifft das auch auf diese Undine zu unserer Zeit noch zu? Mit der Sagenhaftigkeit wird in dem Film gespielt – Wasser ist hier sehr viel mehr als nur Flüssigkeit…

Nachdem ihr Freund Undine (hinreißend gespielt von Paula Beer) im Café versetzt hat, rettet ein fremder Mann (Franz Rogowski – eine tolle Type!!!) sie, als ein Aquarium auf sie zu fallen droht – und sie finden sich gemeinsam auf dem Boden des Cafés wieder, während sich das Wasser über sie ergießt – was für eine dolle erste Begegnung!! Christoph, ihr Retter und bald schon Undines neue Liebe, ist Industrietaucher, und also mit dem feuchten Nass bestens vertraut. Während Undine innerlich den Kampf gegen ihr Schicksal ausficht– eigentlich müsste sie ja ihren Ex umbringen und dann wieder in das Gewässer zurück, aus dem sie kommt – ist Christoph über einige Merkwürdigkeiten, die sich aus ihrer Herkunft erklären, irritiert, und das Schicksal nimmt seinen Lauf…

Dieses Spiel mit Innen und außen, Spiegelungen und immer wieder der Begegnung im, am, unter und auf dem Wasser macht den Film zu einem ganz und gar nicht wässrigen Erlebnis, sondern verdichtet sich poetisch zu einer tragischen Liebes- und Leidensgeschichte… Ich mochte das sehr.

Ich bin ja immer noch nicht durch mit 2020… Und meine Liste von kulturellen Aktivitäten im Januar 2021 ist auch schon nicht mehr so kurz. Was also tun? Abarbeiten!

Heute sind einige meiner Heimkinoereignisse dran, und das sind immer noch einige… Also dann.

„Die Dinge des Lebens“ – Film von Claude Sautet (1970)

Michel Piccoli. Bildquelle: newwavefilm.com

Michel Piccoli ist gestorben! Der großartige Schauspieler und die Filme, die er gedreht hat, sind mit Sicherheit ein Grund für meine Kinobegeisterung. Sein Tod war mir Anlass, seiner zu gedenken, und wie könnte dies besser gelingen als durch Schauen eines seiner Filme! In dieser melancholischen Geschichte wird von einer Beziehung (Michel Piccolis Filmgefährtin: Die unvergessliche Romy Schneider – grandios!!) und deren Ins-Leere-Laufen berichtet, und dann überschlagen sich im wahrsten Sinne des Wortes zudem die Ereignisse. Ein prosaischer Film ist dies in all der poetischen Melancholie, die nur im französischen Kino möglich ist, vielleicht…. Einfach toll! Michel Piccoli und Romy Schneider – was für ein wunderbares Paar…

Ich bin noch auf der Suche nach einem bestimmten Film mit Michel Piccoli, in dem die Musik von Schubert „Der Tod und das Mädchen“ eine Rolle spielt. Wer weiß, wie der Film heißt, möge mir bitte Bescheid geben!

„Bohemian Rhapsody“ – Film von Bryan Singer (2018)

Rami Malek ist Freddie Mercury. Filmszene aus der grandiosen nachgespielten Show des Life Aid-Concerts 1985. Bildquelle: Filmstarts.de

Also, dass ich diesen Film im Kino verpasst habe, schmerzt mich wirklich. Es ist in 2020 wohl das Filmeieignis für mich, das mich von allen am meisten beeindruckt hatte. Ich habe ja eine Schwäche…. Nämlich, dass ich mich mit Musik nicht wirklich auskenne, erst recht nicht mit Popmusik. Klar kenne ich die Musik von Queen, und ich erinnere mich gut daran, wie ich als 13jährige geradezu atemlos dem Musikstück Bohemian Rhapsody im Radio lauschte. Doch führte dies nicht dazu, dass ich mich mit Queen näher beschäftigt hätte. Und mit dem Namen Freddie Mercury habe ich nie etwas verbunden – Asche auf mein Haupt, ich bin eine Banausin!! Und nun, mit diesem Film, wird Freddie Mercury ein weiteres Denkmal gesetzt, und das zu recht. Er war ein großartiger Musiker mit einem Charisma, wie es selten jemand besitzt. Rami Malek als Freddie Mercury ist umwerfend, und die Stimme von Marc Martel, der die Musikstücke in dem Film gesungen hat, hat eine unglaublich ähnliche, wohlklingende und elegante Stimme wie Old Freddie. Der Film hat mich sehr berührt und mitgerissen wie wenige im letzten Jahr.

– Weswegen ich den Film zu Weihnachten  an eine Freundin verschenkt habe, und sie mich damit beschenkte, ihn stante pede gucken zu wollen – so kam ich ein zweites Mal in den Genuss. Und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich ihn mir angucke!

„Der Himmel über Berlin“ – Film von Wim Wenders (1987)

Schon lange wollte ich mir das good old Berlin einmal wieder vor Augen führen, so, wie ich es während meines Studiums kurz vor der Maueröffnung erlebt hatte. Denn die Orte, an denen gedreht wurde, waren mir eine Zeitlang wie eine Heimat. Die Staatsbibliothek, in der ich meine Magisterarbeit geschrieben habe, die Bar vom Esplanade… um nur einige wenige Stellen zu nennen, die mir etwas bedeuteten. Der Film spielt mit den Erinnerungen, auch in der Gestalt von Homer, gespielt von Curt Bois, der durch Berlin streift und voller Erinnerungen ist… Und dann die drei Haupt- (bzw. Ex-)Engel Bruno Ganz, Otto Sander und Peter Falk, die diese Meta-Ebene einnehmen, mit den Menschen sind oder sein wollen, weil dies doch das wahre Leben bedeutet. Dennoch ist die Vorstellung so schön, dass sie als Engel voller Liebe auf die Menschen und ihr Treiben blicken… Es ist die Poesie, das Gefühl, weswegen ich diesen Film so sehr mag. Schön, dass ich ihn endlich wieder einmal geschaut habe.

„Gundermann“ – Film von Andreas Dresen (2018)

Das Wunderbare am DVD- und BlueRay-Gucken ist ja, dass man sich die Rosinenfilme, die man im Kino schon so genossen hat, ganz gezielt erneut anschauen kann. So also auch diesen hier über den phantastischen Gerhard Gundermann (großartig gespielt und gesungen von Alexander Scheer), der im Grunde genommen ein Doppelleben führte – oder sogar ein Dreifachleben. Wie schafft es jemand, der für die Schwerindustrie malocht, noch solche Texte zu schreiben und engagiert Musik zu machen? Und dann: Wie kann es sein, dass gerade er, der doch immer versucht hat, seiner Kunst unabhängig von der Politik nachzugehen, sich von der Stasi einwickeln lässt? Der Film ist nicht nur ein Musikfilm, sondern dazu das feine Psychogramm einer manipulierten Persönlichkeit. Großartig! Hier meine Rezension nach dem Kinobesuch.

„Michael Kohlhaas“ – Film von Arnaud des Pallières (2013)

Mads Mikkelsen als Michael Kohlhaas; Bildquelle: Filmstarts.de

In diesem Film wird nicht viel gesprochen. Es sind die beeindruckenden Bilder und das interessante und eindrucksvolle Gesicht von Mads Mikkelsen als Titelheld, die die Handlung geradezu zwangsläufig in die Katastrophe am Ende treiben. Die Cevennen in ihrer rauen Kargheit dienen als beeindruckende Filmkulisse, und Mads Mikkelsen spielt die Rolle als grimmiger Rechtsfanatiker so, als ob es wirklich keine andere Möglichkeit gibt, um sich gegen die Ungerechtigkeit der Welt zu behaupten – und dies mit einer derartigen Konsequenz, die regelrecht ins Fleisch schneidet. Unerbittlich und scheinbar innerlich unbewegt bewegt er sich auf das prosaische Ende zu, dem er sich in aller Konsequenz beugt. Diese Gradlinigkeit tut weh – ein brillanter Film!

Im Oktober hatte ich das Glück, in der Hamburgischen Staatsoper zur Premiere der beiden Einakter gehen zu können – die Karten waren rar, das Haus wirklich fast leer, ein Trauerspiel… Die Oper hat die Schutzmaßnahmen sehr ernst genommen, und im vierten Rang, Balkon, waren die Abstände der BesucherInnen riesig. Die Garderobe konnte man nicht abgeben, und die Toilettenräume durfte immer nur eine Person zur Zeit betreten. Es war beinahe gespenstisch, so leer war die Oper… Oh wie bitter für die Kunst und die KünstlerInnen! Und für uns, die uns die Kunst so fehlt… – und die wir doch so sehr brauchen!

Pierrot lunaire“ von Arnold Schönberg, Regie und Animation: Luis August Krawen
„La voix humaine“ von Francis Poulenc, Szenische Einrichtung: Georges Delnon

Das Stück von Schönberg besteht aus der Vertonung eines Gedichtzyklus um einen mondsüchtigen Pierrot, der von verschiedenen Frauenstimmen gesungen wird. Der Regisseur hat sich dazu einen Film einfallen lassen, der sozusagen den Vortrag der Sängerinnen illustrierte. Eine Figur, nicht unähnlich der eines Auto-Crashtest-Dummys, bewegt sich durch eine mondähnliche Landschaft; in diesen Bildern ist keine Seele, auch nicht, wenn die Figur mit einer anderen eine Liebesgeschichte simuliert. Geschlecht spielt keine Rolle, auch wenn die Figuren mehr männlich als weiblich wirken. Zwischen der emotional aufgeladenen Musik mit den Frauenstimmen und den Bildern der entseelten Figuren in einer dystopischen Landschaft ist eine Spannung entstanden, die mir unbehaglich war – was eher als Kompliment gemeint ist, gerade weil bei mir dieses seltsame Gefühl entstanden ist… Die Musik würde sich besser durch mehrmaliges Hören erschließen.

Der zweite Einakter, „La voix humaine“ bildete einen Gegenpol dazu, denn hier liegen die Gefühle im Spiel der Sängerin: Eine Frau telefoniert mit ihrem Liebhaber, der jedoch vor kurzem Schluss mit ihr gemacht hat. Im Widerstreit mit ihren Gefühlen versucht sie ihm zu verheimlichen, was er doch ahnt: Nämlich, dass sie kreuzunglücklich ist. Hier also ging es um nichts anderes als Psychologie, die aus der Inszenierung des ersten Stücks ja komplett ausgemerzt wurde. Ich mochte diesen Einakter sehr, ebenfalls die Musik.

Akhnaten von Philipp Glass – Stream aus der Metropolitan Opera New York

Aus der Met sind ja jetzt während des Corona-Lockdowns regelmäßig Opernaufführungen im Stream zu sehen (hier geht’s zum Programm), und es ist schade, dass ich es eigentlich kaum schaffe, mir mal etwas davon anzusehen – so ein tolles Angebot! Dieses Stück hätte ich vorm Lockdown so gern im Kino gesehen, wo die Übertragung aus der Met ausgestrahlt wurde, doch klappte das nicht. Um so mehr habe ich mich über diese Gelegenheit gefreut und sie mir nun zuhause angesehen/-gehört. Es hat sich so sehr gelohnt!!!

Die Oper handelt von dem König Akhnaten (=Echnaton), der während seiner Herrschaft das Regierungssystem reformierte und versuchte, eine neue Religion einzuführen. Letztendlich scheiterte er. In der Oper werden einige Szenen aus seinem Leben szenisch dargestellt; es wird also keine Handlung erzählt, vielmehr ist es ein Essay, ein Portrait dieses visionären Staatsmannes.

Die Musik ist einfach nur magisch: In scheinbar ewig gleichförmigen, meist melodischen Kreisen  wird eine beinahe meditative Stimmung erzeugt. Das Bühnenbild – eines der schönsten, die ich je gesehen habe – ist schlicht, dennoch wirkt es durch die anmutige Eleganz der agierenden SchauspielerInnen und SängerInnen sehr prunkvoll und strahlt eine ergreifende Atmosphäre aus. Und so bündelt sich die Kraft in der Musik und in einer atemberaubenden Ästhetik. Einer der Höhepunkte ist für mich die Szene von Akhnatens Krönung: Voller Erhabenheit steigt der neue Herrscher die Treppe zum Licht empor – einfach wunderschön! Und zudem toll gesungen vom Countertenor (ich liebe die Stimmlage des Countertenor!!!) Anthony Roth Constanzo. Diese Szene geht mir gar nicht mehr aus dem Kopf. Wie toll, dass die Aufführung erneut am 12. Februar (NY-Zeit, bei uns einen Tag später) ausgestrahlt wird. Ich will unbedingt wieder dabei sein!

In ganz poetischen, leichten Sätzen wird von den Jahreszeiten erzählt – aber ganz so leicht ist die Geschichte dann doch nicht… und ist es wirklich ein Märchen?

Frühling erfährt, dass es ihrem Bruder, dem Winter, nicht gut geht – denn er hat sie nicht wie sonst, mit frischen Samen versorgt, die sie alljährlich ausbringt. Voller Sorge trommelt sie ihre ganze Familie zusammen, mit dem Ziel, Winter zu helfen.

Doch was Frühling erfährt – und mit ihr natürlich wir ZuhörerInnen – ist tatsächlich überraschend….

Die Geschichte ist ganz leichtfüßig erzählt, sodass es mir leichtfiel, mir die anmutige Gestalt des Frühlings und auch die der anderen Jahreszeiten vorzustellen und das Geschehen gespannt zu verfolgen. Das Ende aber hat mich dann doch sehr berührt – es war ein Gefühl der Beklommenheit, das sie bei mir hinterlassen hat, und das ich bei einem Märchen nicht erwartet hätte, auch nicht bei einem modernen. Denn bei all der schönen Sprache, die so blumig dahinfließt, ist es eine Geschichte, die in diese Zeit gehört.

Sei’s drum – die Geschichte ist nicht nur spannend, sondern es ist auch immer wieder notwendig, sich klarzumachen, welche Macht die Natur über uns Menschen hat – und wir lediglich ein kleiner Baustein in einem mächtigen Ganzen sind, um die es letztendlich gar nicht geht.

Insofern mein Tipp: Anhören, unbedingt!

Im Juni schon habe ich die Ausstellung besucht, und sie ist schon lange beendet. Dennoch unvergessen, diese wunderschönen Bilder…!

Wahrscheinlich sage ich das ja nur, weil meine Erinnerung an seine Bilder nun die Frischesten sind: Monet ist für mich überhaupt DER impressionistische Maler! Er hat es geschafft, die Luft zum Flirren zu bringen, das Licht ist so genau eingefangen in seinen Bildern, wie es eben geht – selbstverständlich zusammen mit einer gewissen Überhöhung, einer Verklärung ins Idyllische und hin zu einer heilen Welt… In die Motive, die er wählte, möchte ich versinken, möchte die Frau sein, die durchs Mohnfeld läuft, möchte der Punkt sein in einem seiner Gartenbilder, der eine Frau zeigt – freilich eine Impression, die sich nur aus der Ferne betrachten lässt. Monet hat es verstanden, mit den Farben zu spielen, wie kein zweiter.

Doch da ist mehr noch: Die kunstvoll und doch wie zufällig aneinandergesetzten Farben bilden ein Ganzes erst im Abstand; und doch steckt in den Bildern nicht nur die Gegenständlichkeit, sondern nimmt in gewisser Weise auch schon die abstrakte Kunst vorweg – spannend!

Es war ein Schwelgen fast vor jedem Bild. Diese Schätze haben uns wunderbare drei Stunden beschert mit diesen farbenfrohen Bildern, die uns hineinzogen in das Festival der Farben. Das war es wert, sich für die Karten, die nicht einfach zu bekommen waren, ins Zeug zu legen (bei Instagram gab es ultimative Tipps, das hat geholfen, aber pschscht, nicht weitersagen….) .

Im Hinterhof des Museums wurde ein riesiger Heuhaufen errichtet, was ein häufiges Motiv von Monet war – allerdings war es auf seinen Bildern ein Hochgenuss zu sehen, wie vielfältig die Farben in der Lichtbrechung sind, wie sich Licht und Schatten zueinander verhalten – da kommt der Heuhaufen in echt dann doch nicht mit. Netter Versuch! Einmal mehr wird klar, dass das Bild, die Idylle und die Schönheit erst durch die Betrachtung entsteht, in der Transzendenz erst zu etwas Neuem wird, das wir vielleicht manchmal besser annehmen können als die Wirklichkeit.

Das Barberini-Museum bietet derzeit übrigens virtuelle Führungen durch die derzeitigen Ausstellungen an. Gar nicht übel, vielleicht, besser als gar nichts…

Die letzten Film im Kino geguckt (noch in 2020)

Veröffentlicht: 8. Januar 2021 in Filme, Kino, Kultur

Ach ja. Lang ist’s her, dass man ins Kino gehen konnte… Das fehlt mir sehr… Diese beiden Filme habe ich letztes Jahr noch im Kino sehen können, und dafür bin ich dankbar. Endlich auch hierfür einige Anmerkungen in diesem Blog – endlich!

Narziss und Goldmund – Film von Stefan Ruzowitzky

Hermann Hesses Roman habe ich mit 19 Jahren gelesen, aber viel davon behalten habe ich nicht (könnte ich also beizeiten wiederholen…). Um so schöner war es, diesen farbenfrohen und bildgewaltigen Film, sozusagen als „Auffrischung“ zu sehen – wobei das Ende im Film von dem im Buch abweichen soll. Der Film ist pralles, sattes Kino, tolle Bilder, birgt Leidenschaften und einen tieferen Sinn: Narziss (toll gespielt von Sabin Tambrea) sieht sein Leben, seine Zukunft in der Anbetung Gottes. Von diesem Weg bringt ihn auch Goldmund (Jannis Niewöhner) – durch seine Lebenslust bildet er den Gegenpol zu Narziss – nicht ab. Dennoch entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden, denn was dem einen vielleicht fehlt, verkörpert der andere, und nur zusammen bilden sie in einer virtuellen Symbiose sozusagen, etwas Ganzes. Vielleicht…

Sabin Tambrea, Jannis Niewöhner als Titelhelden in Narziss und Goldmund. Bildquelle: Filmstarts.de

Für Goldmund jedenfalls ist das Leben im Kloster nichts, er will und muss hinaus, erleben, berühren und berührt werden – und schaffen: Er wird Künstler, Bildhauer, und er sucht seinen Weg, der ihn in alle Höhen und Tiefen menschlichen Daseins führt. Erretten aber kann ihn nur Narziss, und das auch nur bedingt… Doch muss Narziss seinen Freund vor seinen weniger weltoffenen Klosterbrüdern verteidigen – ob es ihm gelingt? Es ist ein schöner Film, wie ich finde, weil er sich in Bildern nur so austobt. Sehr sehenswert!!

„Drei Tage und ein Leben“ – Film von Nicolas Boukhrief

Es wird die tragische Geschichte erzählt von Antoine, der als Zwölfjähriger am Verschwinden eines fünfjährigen Jungen beteiligt war. Diese Geschichte begleitet nicht nur sein Leben, sondern sie verändert es auch. Obwohl er das Gefühl hat, Schuld auf sich geladen zu haben, vertraut er sich doch niemandem an, und so beginnt ein unendlicher Spießrutenlauf für den Jungen. Eine Naturkatastrophe mischt das Dorf auf, und schließlich passt es kaum mehr, über den alten Vorfall zu sprechen. Als er aber als mittlerweile Erwachsener ins Dorf kommt, um seine Mutter zu besuchen, verselbständigen sich die Dinge mit fatalen Folgen…

Der junde Antoine (Jeremy Senez) hat ein dunkles Geheimnis, das schwer auf ihm lastet; Szenenbild aus Drei Tage und ein Leben; Bildquelle: Filmstarts.de

Es ist ein eindringlicher Film, der einmal mehr zeigt, welche Konsequenzen ein Fehlverhalten nach sich ziehen können – beeindruckend!

So, und das war es erstmal an Erlebnissen im Kino. Viele Filme habe ich auf dem Fernseher via DVDs gesehen. Darüber berichte ich dann demnächst auch noch.

Mannmannmann. Ich habe es echt schleifen lassen, das Bloggen… Zum Einen habe ich nicht konzentriert gelesen, das muss ich leider zugeben. Zum anderen widme ich mich seit 2019 ja selbst dem belletristischen Schreiben, und das wirbelt mein Leben ziemlich durcheinander. Wohin mich das führen wird, weiß ich noch nicht, ans Veröffentlichen denke ich noch lange nicht, aber ich bin mächtig stolz, dass ich im November 2019 einen Roman geschrieben habe und in diesem November 2020 eine Reihe von Kurzgeschichten (das Überarbeiten steht aber noch aus).

Ich sage es lieber gleich: Viel gelesen habe ich nicht!
Trotzdem folgt hier ein Rückblick, welche Bücher ich von allen am Eindrucksvollsten fand und warum.

Top-Lese-Erlebnis in 2020: „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ von Edmund de Waal

Dieses Buch war so ganz besonders. Edmund de Waal, übrigens Töpfer seines Zeichens, und allein deshalb hat er schon bei mir ein Stein im Brett, hat sich auf Spurensuche begeben: Er hat über seine Familie geforscht, die einmal zu einer der reichsten in Europa zählte. Mich hat es berührt, wie er die Geschichte anhand der Netsuke (das sind filigrane, klitzekleine japanische Figuren) – dem einzig verblieben kostbaren Erbe in der Familie – aufrollt. Die Spuren führen zurück ins Paris um 1900 und direkt zu Marcel Proust und der damaligen Kunstszene, und führt uns weiter ins vom Nationalsozialismus geschüttelte Wien. Mehr dazu findest Du hier.

Auch super:
Als Erstes muss ich unbedingt „Irmina“ von Barbara Yelin erwähnen, eine Graphic Novel mit gehörigem Tiefgang: Noch eine Familiengeschichte, denn Irmina war die Großmutter der Autorin und Zeichnerin. Ihre erste Liebesbeziehung hatte diese in England mit einem Mann aus Afrika, sehr ungewöhnlich zu der Zeit. Doch als sie wegen des zweiten Weltkriegs zurück nach Deutschland muss, verblasst die Erinnerung an diese Liaison, erst recht, da sie bald einen Mann heiratet, der als Architekt die neuen Werte des Nationalsozialismus verinnerlicht hatte. Es ist eine toll gezeichnete Geschichte mit viel Tiefgang und führt uns direkt zu den immer noch nicht verheilten Wunden von Schuld oder Gleichgültigkeit  – oder geht das nicht manchmal auch Hand in Hand? Meine Rezension ist hier.
Nicht so schwere Kost, dafür aber gemütlich zu lesen, ist „Erntedank in Vertikow“ von Frank Friedrichs, ein „Cosy Crime“, der in einem Dorf irgendwo in Meck-Pomm spielt und Auftakt einer ganzen Reihe ist. Super Idee, dass die BewohnerInnen des Dorfes die Hauptfiguren in dieser Krimireihe sind – mit der querschnittgelähmten Figur Peer Wesendonk als Ermittler. Mehr hier.
„Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky war ebenfalls ein herausragendes Leseerlebnis und spielt auch in einem kleinen Dorf, in dem wir die Figuren im Laufe des Romanes liebgewinnen, hier geht’s zu meiner Kurzrezension.

Zweifelhaft war:
„Unterleuten“ von Juli Zeh: Also, dieser Roman war mir dann doch eine Spur zu schmerzhaft. Um so mehr, als dass man wirklich findet: Sie hat ja so furchtbar Recht, die Autorin, mit ihren klar- und scharfsichtigen Beobachtungen der Menschen. Ich mochte es dennoch nicht.

Mein Lieblingscover in 2020:

„Das hungrige Glas“ von Heiko Hentschel: Die Gestaltung dieses Covers mochte ich von allen in 2020 gelesenen Büchern am Liebsten: Sie führt uns mittenmang ins Geschehen, wir sehen, wie die beiden Hauptfiguren auf Monsterjagd über die Dächer des mittelalterlichen Ortes Ravenbrück dahinjagen – in Begleitung ihrer Boogelbies, das sind magische, äußerst nützliche Wesen mit ganz erstaunlichen Eigenschaften. Ein spannendes Jugendbuch ab 12 Jahren, für alle Fantasybegeisterten (wie mich)! Mehr dazu hier.

Womit geht’s in 2021 weiter:

Gerade bin ich noch dabei „Zähmung“ von Farina de Waard zu lesen. Das ist ein faszinierender Fantasyroman um eine junge Frau, die feststellen muss, dass sie nicht nur magische Fähigkeiten besitzt, sondern dazu auserwählt ist, gegen Zayda, eine mächtige, bösartige Zauberin, anzutreten, um die Menschen aus deren Knechtschaft zu befreien. Ich werde berichten!
Besonders neugierig bin ich auf den Roman „Die Chamäleondamen“ von Yvonne Hergane. Hierin rollt die Autorin eine Familiengeschichte auf, deren Ursprünge in Rumänien liegen und die uns schließlich nach Deutschland führen.
Ein weiterer Fantasyroman „Ellergorh“ von Matthias Teut, liegt hier ebenfalls, ich bin sehr gespannt darauf.
Und „Herkunft“ von Saša Stanišić wurde mir wärmstens von einer Freundin empfohlen, das Buch muss jedoch noch ein wenig liegen bleiben, denn ich habe vorher eben noch einiges anderes als Lesestoff zu liegen. Letztendlich lasse ich mich jedoch von der Lust leiten, nach welchem Buch ich als nächstes greifen werde!

Ich und Krimis? Eigentlich ein No-Go. Geht dann aber doch, wenn es sich um einen gemütlichen Krimi, einem „Cosy Crime“, handelt, der dazu einlädt, zu schmökern, mitzuraten und –bangen mit den Figuren…. – dogmatisch bin ich schließlich nie gewesen!

Peer Wesendonk ist nach einem Unfall jetzt querschnittsgelähmt und gerade aus der Reha zurück, als eine Nachbarin überfahren wird. Gerade hatte sie ihn noch aus einer brennzligen Lage befreit – und nun ist sie nicht mehr. Peer, der genug zu tun hat, sich mit seiner neuen Situation als Rollstuhlfahrer zu arrangieren, kommt dieser Unfall mit Fahrerflucht seltsam vor. Dadurch, dass er seinen Job als Organist nun nicht mehr ausüben kann, hat er viel Zeit zum Grübeln, und schnell entschließt er sich, der Sache nachzugehen. Die Menschen im Dorf und seine Frau Sascha stehen ihm dabei zur Seite – oder auch nicht. Immer neue Rätsel türmen sich auf, während Peer nicht nur mit diesen kämpft, sondern gleichzeitig austarieren muss, welche Un- und Möglichkeiten ihm sein neues Dasein als nunmehr Versehrter bieten – taugt er noch als Mann oder ist er nur im Weg? Kann man mit einem Rollstuhl über einen Acker fahren, um seltsamen Spuren nachzugehen? Und kann er noch die Dorfkneipe besuchen, deren Eingang mit seinen hohen Stufen ihm plötzlich ungeahnte, aber sehr reale Hindernisse in den Weg stellt…?

Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Wesendonk! Und so bangen, leiden und freuen wir uns mit Peer, den wir auf seiner neuen Mission begleiten, die wahre Todesursache der lieben alten Nachbarin – wenn sie denn überhaupt lieb war – herauszufinden…

Die Menschen in dem Dorf Vertikow, anzusiedeln irgendwo im Mecklenburgischen, werden liebevoll gezeichnet – und dies nicht nur in diesem Krimi! Man darf gespannt sein, wie sich die Figuren in den Folgebänden (die es schon gibt, siehe hier) entwickeln – und natürlich Peer Wesendonk. Also, so kuschelig und schmökerhaft macht auch mir Krimilesen Spaß!

Gelesen seit September zwanzig

Veröffentlicht: 1. Januar 2021 in Bücher, Hörbuch, Kultur, Literatur

Oha! Ich habe das Bloggen vernachlässigt – dazu ein andermal mehr. Jetzt geht es erstmal darum, meine Leseerlebnisse seit September zu beschreiben, und da fangen wir gleich mal mit an:

Mein Leben mit Picasso – Buch von Françoise Gilot

Das Buch hatte ich schon vor einigen Jahren geschenkt bekommen, und jetzt endlich sollte es mal aus dem Regal meiner zu lesenden Bücher verschwinden. Aber, oh Schreck! Ich konnte es nicht lange aushalten mit dem Buch…

Françoise Gilot war nicht nur eine von Picassos Frauen, sondern u.U. sogar diejenige, mit der er die längste Beziehung führte. Sie selbst war Malerin, bzw. ist es, wenn man Wikipedia glauben darf, lebt sie nämlich noch und müsste demnach in 2021 einhundert Jahre alt werden… Seit Ende 1948 lebte sie mit Picasso zusammen – was sicherlich sowieso nicht einfach war, aber als jemand, die selbst künstlerisch schaffend war, sicherlich noch viel schwerer. Abgesehen davon, dass sie ihren Mann als charismatische Persönlichkeit beschreibt – was Picasso zweifelsohne war – war er aber auch ein Macho, wie er in diesem Buche steht…. Und das ist schon schwer zu ertragen, wie er seine Frauen gegenseitig ausspielt und sich daran ergötzt, wenn sie wegen ihm aufeinander losgehen. Dann Mutter zweier kleiner Kinder zu sein, macht die Sache sicherlich nicht besser. Und bei allem auch etwas mit der eigenen Kunst sagen zu wollen – das war mit Sicherheit eine schwierige Zeit.

Ich hatte gehofft, auch etwas über diese Frau zu erfahren, wie sie es geschafft hat vielleicht, sich von Picasso abzugrenzen um selber ihre Kunst zu machen – und aus dieser Sicht war das Buch ziemlich enttäuschend. Sie beschreibt ihre Ehe in vielen Einzelheiten, auch solchen, die ich nicht interessant fand oder wenn, dann abstoßend, weil Picasso sich überwiegend wie der letzte Arsch benommen hat – so dass ich mich schließlich, ungefähr in  der Hälfte des Buches, entschloss, die Lektüre abzubrechen.

„Altes Land“ – Roman von Dörte Hansen

Nun hatte ich Dörte Hansens wunderbares Buch „Mittagsstunde“ ja schon vor einiger Zeit als Hörbuch gehört, und da lag es nahe, dass ich auch „Altes Land“  kennenlernen wollte (diesmal lesend) – und ich wurde nicht enttäuscht!

Das Buch handelt von mehr oder weniger zwei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein können. Die eine lebt schon lange allein in einem alten großen Haus, das wie sie so langsam in sich zusammenfällt, wenn man so will. Sie ist verhärtet, durch ihre Biographie, durch ihr Leben. Als ihre Nichte wegen Eheproblemen zusammen mit ihrer Tochter von Hamburg aufs Dorf flüchtet, krempelt dies beider Leben gehörig um. Während die eine wieder so langsam Land unter ihre Füße bekommt, lernt die, die doch mit beiden Beinen fest im Leben steht, endlich wieder gehen… und zwischendurch beschreibt Dörte Hansen mit klarem Blick die Menschen: Jene, die in Hamburg leben und sich bemühen, möglichst alternativ und weltoffen zu sein, während sie doch nur ein anderes Kleinkariertenmuster leben, als die Menschen im alten Land, die sich als hoffnungslos intolerant erweisen, aber wenigstens nicht so verlogen dabei sind… Ich fand es amüsant, das Buch, musste aber manchmal auch schlucken, weil Dörte Hansen es wirklich auf den Punkt bringt – und das ist nicht immer einfach zu ertragen, denn allzuoft hat sie recht mit ihrem glasklaren Bick, der doch auch etwas Schneidendes an sich hat… Doch bleibt sie mit ihren Figuren nachsichtig, verrät sie nicht – und das ist dann doch, wie der versöhnliche Schluss, herzerwärmend.

„Der Gefühlsmensch“ – Roman von Xavier Marías

Mit großem Genuss hatte ich ja „Mein Herz so weiß“ vor einiger Zeit gelesen, deshalb habe ich dies Buch, gefunden auf irgendeinem Büchertisch „for free“, mitgenommen. Jetzt kam es also wieder zu Ehren. Tja, also… Der Ich-Erzähler ist ein hadernder Opernsänger, irgendwie entwurzelt, Single obendrein. Auf einer Bahnfahrt beobachtet er ein seltsames Dreiergespann: Zwei Männer und eine Frau – und prompt trifft er sie in seinem Hotel erneut. Dort beginnt er eine Freundschaft mit einem der beiden Männer: Er ist sozusagen der ständige Begleiter der Frau, weil ihr Ehemann – der Dritte im Bunde – keine Zeit für sie hat. Der Gesellschafter braucht dringend einmal Entlastung, und so nun kommt der Opernsänger ins Spiel…

Es ist mal wieder eine feine Geschichte um die Liebe zwischen den Geschlechtern, und auch hier dreht sich Xavier Marias gekonnt immer um die selben Elemente, wie ich es in „Mein Herz so weiß“ so geschätzt habe. Allein, dies Buch kam weder im Lesegenuss noch inhaltlich an das andere heran.

„Unterleuten“ – Roman von Juli Zeh

Ähnlich wie „Altes Land“ (s.o.) beschreibt Juli Zeh eine Landbevölkerung – irgendwo in Brandenburg, eine Autostunde von Berlin entfernt. Einer der Reibungspunkte ist, dass eine Windkraftanlage aufgestellt werden soll – wenn es Landbesitzer gibt, die sich dafür bereiterklären. Aber tja, grüne Energie will ja jede/r, aber auf diese hässlichen Windräder gucken? Niemals! Das sagen die einen. Die anderen aber sehen große Vorteile darin – ließe sich doch dadurch der schlecht laufende landwirtschaftliche Betrieb retten und dem Dorf einiges an Einnahmen bringen, oder aber ganz eigennützliche Gründe geben den Ausschlag, ob diese Anlage gebaut werden könnte oder eben auch nicht. Solidarität oder Egoismus? Das ist hier die Frage! Hinzu kommen die ein oder andere verhärtete Front innerhalb der Nachbarschaft oder des Dorfes.

Juli Zeh dreht und wendet ihre Figuren, zeigt alle Facetten, als hätte sie sie unterm Mikroskop genauestens untersucht. Und sie lässt sie agieren – zwischen schmerzhaft knallhart oder butter-butterweich – und das tat manchmal ziemlich weh… Zum Einen ist der analytische Blick unterm Brennglas bewundernswert, zum anderen schmerzt er auch wie Feuer! Dieser Blick, so genau er auch ist, ist vernichtend. Da steckt keine Wärme für die Figuren, den echten Menschen nachempfunden, und ich frage mich, ob die Autorin nicht eine Misanthropin ist… Kurz gesagt: Das Buch zu lesen war ein etwas zweifelhaftes Vergnügen. Ich denke nicht, dass ich von Juli Zeh so bald ein weiteres Buch lesen will.

„IQ84“ – Roman von Haruki Murakami, gelesen von David Nathan

Und dann noch hörten wir über Wochen diesen langen Roman, der einmal mehr durch seine Phantastik faszinierte. Der Zeitraum der Handlung umfasst gut dreißig Jahre und beschreibt zwei Menschen im Japan um 1984: Aomame ist eine junge Frau, die sich in einem jugendlichen Alter von ihrer Familie lossagte – diese ist Mitglied der Zeugen Jehovas, und wer da nicht mitmacht, hat keinen Platz in der Gemeinde. Seitdem schlägt sich Aomame allein durchs Leben, sucht lockere Bekanntschaften zu Männern für Sex. Ihr Herz aber gehört Tengo, einem Jungen aus der Grundschulzeit, zu dem sie jedoch nach der Schulzeit keinen Kontakt mehr hat. Und genau Tengo ist die andere Hauptfigur: Auch er hat Aomame nie vergessen. Jetzt ist er Mathematik-Professor und nebenberuflich Schriftsteller. Als er einen Auftrag als Ghostwriter erhält, lernt er ein junges Mädchen kennen, das ihn auf eine Spur zu seiner Jugendliebe bringt… Und dann passieren viele verrückte, phantastische Dinge, vielleicht in einer Parallelwelt, in der es plötzlich zwei Monde am Himmel gibt und eine „Puppe aus Luft“, sehr rätselhaft und wie oft bei Murakami auf seine sehr spezielle Art sehr phantastisch. Das hat uns gut gefallen.

Im April bis Juni gab’s gleich zwei Bücher für mich auf die Ohren, ein Gruselroman und einen, den ich mal mit „historisch“ betitele…

„Revival“ – Roman von Stephen King, gesprochen von David Nathan

Ein dickes Hörbuch war das, und ich frage mich ernsthaft, ob das sein musste… Es ist die Lebensgeschichte von Jamie, der in Abständen auf den Priester David Jacobs trifft. Dieser ist zunächst Prediger in der Gemeinde des damals fünfjährigen Jungen. Während er die Erwachsenen mit seinen Reden fesselt und die Kinder mit elektrischen Effekten verzaubert, wendet sich das Bild, als Jacobs‘ Familie bei einem Unfall ums Leben kommt. Jacobs wandelt sich von einem gottesfürchtigen Kirchenmann zu einem  gottesverfluchenden Hetzredner, was ihn seine Stellung und sein Ansehen in der Gemeinde kostet.

Jahre später trifft der mittlerweile drogenabhängige Jamie auf einem Jahrmarkt erneut auf Jacobs, der mit elektrischen Vorführungen seltsame psychologische Effekte bei seinen freiwilligen Kunden hervorrufen kann – oft zum Guten: so kann er Jamie von seiner Sucht befreien; aber nicht selten ist es am Ende doch zum Schaden der Menschen, die, so bleibt der Verdacht, Spätschäden von den elektrischen Spielereien davontragen.
So gibt es immer wieder Begegnungen zwischen Jamie und Jacobs, und Jamies Ahnung von Jacobs gefährlichen Versuchen nimmt immer mehr Gestalt an, wiewohl auch Jacobs eine Wandlung zum Manischen durchlebt und sich schließlich der Horror schlechthin seinen Weg bahnt…

Ja, es ist ein King, dieser Roman, ja, und es wird erwartungsgemäß ziemlich gruselig. Doch empfand ich stellenweise ziemlichen Missmut, denn es dauert furchtbar lange, und es werden Geschichten aus Jamies Biographie geschildert, die mich zwischenzeitlich langweilten, weil hier einfach nicht auf den Punkt gekommen wurde. Das fand ich doch ziemlich ermüdend. Deutlich kürzer wäre deutlich besser gewesen, meiner Meinung nach.

„Tyll“ – Roman von Daniel Kehlmann, gelesen von Ulrich Noethen

Der Titel, und auch der Beginn des Romans erwecken Erwartungen, die letztendlich nicht erfüllt wurden. Mit dem Namen des Romans ist ja Tyll Ulenspiegel gemeint, und  in der Tat kommt Tyll in dem Buch vor – jedoch wie eine beständige Marginalie. Auch wenn der Roman sich an der Lebenszeit von Tyll orientiert und auch von dessen Kindheit und überhaupt Leben erzählt wird, so bleibt er dennoch Statist. Denn eigentlich geht es um die Zeit des dreißigjährigen Krieges. Es war schon interessant, wie sehr mich das irritiert und zunächst auf die falsche Fährte gelockt hat. Tatsächlich brauchte ich doch länger, um zu realisieren, dass in diesem Roman mehr der Zeitgeist während des dreißigjährigen Krieges im Mittelpunkt steht, als der die Menschen foppende, sich aus den schwierigsten Situationen herauswindende Tyll.

Wir erfahren viel über die Zeit: Wie Tylls Vater, der irgendwie einen anderen Blick auf die Phänomene um ihn herum warf, man könnte diesen versponnen und skurril nennen, schließlich aus genau diesem Grund der Hexerei bezichtigt wurde;  welchen Einfluss also die Kirche und der Aberglaube auf die Menschen ausübte, und wie sich die Adligen bemühen, in den Wirren des Krieges nicht unterzugehen – über all das berichtet dieses Buch, das vor Geschichten und Bildern der unterschiedlichsten Arten nur so strotzt. Ich mochte diesen Geschichten unbedingt lauschen, während einer längeren Autofahrt, muss aber sagen, dass ich nicht immer so konzentriert dabeigeblieben bin. Ob ich es nochmal lesen würde, um diverse Lücken zu schließen, weiß ich dann aber doch nicht.