‚Besser scheitern‘ – Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle und ‚Giacometti. Die Spielfelder‘ ebendort im Schnelldurchlauf

Veröffentlicht: 18. Mai 2013 in Ausstellungen, Kultur, Kunst

„Wieder versuchen / wieder scheitern / besser scheitern“
(Samuel Beckett)

Das Leben ist manchmal zu hart. Monatelang hatte ich vor, die Giacomettiausstellung in der Hamburger Kunsthalle zu sehen. Dann schließlich, auf dem letzten Drücker, platzte die Verabredung mit einer Freundin kurzfristig. Da ich doch wenigstens einen Blick riskieren wollte, beschloss ich, meinen Sohn zur Ausstellung ‚Besser scheitern‘ zu überreden mit der Vorgabe, auch durch die Giacometti-Ausstellung zu streifen. Und was bin ich dadurch? Besser gescheitert!Das Motto von Samuel Beckett (s.o.) war schon klasse:
Ja, und es stimmt, ohne zu scheitern, aber erst recht ohne scheitern zu können, ist Kunst wahrscheinlich nicht möglich. Oder kennt Ihr nicht auch jede Menge kleiner Genies, die bei hohem Kunstgenuss freilich ein wenig hochmütig ausrufen ‚das kann ich auch!‘, und wahrlich, einige von ihnen bringen denn auch bei kreativer Beschäftigung ganz manierliche, oder sogar richtig gute Sachen hervor. Ja, Kunst ist nicht unerreichbar. Aber wer nicht zu scheitern bereit ist und sich von Misserfolgen und Fehlschlägen entmutigen lässt, bricht seine künstlerische Karriere am Ende schon wieder ab, bevor sie überhaupt losgeht. Scheitern gehört dazu, ohne dies geht es nicht, ohne dies bleiben es geniale Geistesblitze, aber es setzt sich daraus nicht zwangsläufig ein Œuvre zusammen…

Bas Jan Ader (1942 – 1975), Fall 2, Amsterdam 1970 (Dokumentation), 16 mm Filmproduktion, schwarz-weiß, ohne Ton © Mary Sue Ader-Andersen / Bas Jan Ader Estate at the Patrick Painter Gallery Gefunden unter www.hamburger-kunsthalle.de

Bas Jan Ader (1942 – 1975), Fall 2, Amsterdam 1970 (Dokumentation), 16 mm Filmproduktion, schwarz-weiß, ohne Ton © Mary Sue Ader-Andersen / Bas Jan Ader Estate at the Patrick Painter Gallery Gefunden unter http://www.hamburger-kunsthalle.de

Hier in dieser Ausstellung jedenfalls gilt es zu entdecken, dass Scheitern durchaus auch etwas Fröhliches beinhalten kann: Der VW, der einfach den steilen Berg nicht ganz hochschafft zum Beispiel, wird begleitet durch eine Band, die immer und immer wieder zum selben Musikstück ansetzt und ebenso nicht schafft, es zuende zu spielen, wie der VW auch immer wieder den Berg herunterrollt, um sodann von Neuem den Weg anzutreten. Schafft aber der VW den Berg nicht, weil die Musikband das Stück nicht schafft? Oder schafft die Band das Stück nicht, weil es die musikalische Untermalung zu dem Scheitern des Autos ist? Oder scheitern beide, unabhängig voneinander?
Es geht aber auch um Sinnfreiheit. Ein Junge kickt eine leere Flasche eine Hangstraße hoch und muss die Flasche immer wieder von weiter unten hochkickern, da sie der Schwerkraft folgend immer wieder den Hang ein Stück hinunterrollt. Was das soll? Vielleicht ist es gerade der Hinweis auf sinnfreies Tun, das einem neue Impulse geben kann, seine eigene Technik zu variieren. Sinnfrei, ziellos, das lässt Abstand zu, die Dinge von anderer Seite zu betrachten. Und wenn das fehlt, dann fehlt auch das Spielen. und ohne Spiel ist Kreativität wohl nicht möglich, denke ich.

Und so fanden wir auch anregend das tolle Video vom ‚Lauf der Dinge‘ von Peter Fischli und David Weiß. Eigentlich sehe ich darin weniger das Scheitern an sich, dafür ist der Film zu gelungen. Doch die Dinge stoßen einander an, bringen etwas anderes in Bewegung, das dadurch eine weitere Sache in Gang bringt und so weiter. Etwas passiert und bringt etwas anderes zum Laufen. So verstehe ich auch den Film, in dem einfach nichts passiert, außer, dass irgendwann ein Schmetterling durchs Bild flattert. Und schon verändert sich irgend etwas. Diese erstmal ganz vordergründige Veränderung ist jedoch ganz hintersinnig. Was würde es z.B. bedeuten, wenn der Schmetterling nicht durchs Bild geflattert wäre, beispielsweise für den Besucher der Hamburger Kunsthalle? Oder für den Künstler. Oder für den Schmetterling?
Schwieriger bzw. mit einem leichten Magengrummeln bin ich an den Videos von Bas Jan Adler vorbeiflaniert. Es waren die deutlichsten Scheitern hier: Ein Mann (der Künstler selbst) fällt vom Dach, hangelt sich an einem Ast entlang und fällt in den Bach, oder er wird vom Wind umgeweht. So weit kann ich folgen. Doch dass seine Segelpartie – er hatte vor mit einem ziemlich kleinen Boot das Meer zu überqueren, doch ward er nach seiner Abfahrt nicht mehr gesehen – empfand ich weniger als Kunst. So weit zu gehen, um sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, gefällt mir nicht!
Nun, sie war einen ausgiebigen Besuch wert, diese Ausstellung.

Auch deshalb sind wir durch die Giacometti-Ausstellung nur gegangen, ohne lange vor den Skulpturen oder Bildern halt zu machen. Und das bereue ich jetzt sehr, da ich nun sozusagen gesehen habe, was ich alles verpasst habe. Und es gab sehr viele Werke zu sehen, denen ich mich sehr gern intensiver zugewendet hätte, doch das ging leider nicht mit einem ungeduldigen Kind an der Seite. Schade. Nun war es ja so, dass ich neulich im Bucerius Kunstforum nicht so einen großen Zugang zu Giacomettis Werken bekommen habe, und nun war keine Zeit, es nochmal zu versuchen. Dennoch: Die großen Skulpturen, die er für einen Platz (ich glaube in New York, bin aber nicht sicher) gestalten sollte – dieses Kunstwerk ist jedoch niemals aus dem Atelier hinausgekommen – hat mir trotzdem gut gefallen. Und auch andere Skulpturen, aber auch die Gemälde luden eigentlich zum längeren Betrachten ein.
Naja. Gescheitert. Das war eben das Wort des Tages. Bestimmt gibt es in 100 Jahren wieder mal eine große Retrospektive in Hamburg. Dann gehe ich eben dann hin…

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